Kindesmissbrauch gibt es überall
02.07.2015
Von Felix Drexler Burghausen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 15000 Mädchen und Jungen Opfer von sexuellem Missbrauch. In der Zahl, die vom Bundeskriminalamt veröffentlicht wurde, sind aber nur die polizeilich angezeigten Fälle angegeben. Wie hoch die Dunkelziffer ist, lässt sich nur schwer beurteilen. Experten meinen aber, dass die wahre Zahl 30 Mal höher ist.
Anita Allmannsberger, vom Burghauser Kinderschutzbund, weiß um diese Problematik: "Kindesmissbrauch ist nichts, was sich irgendwo in der Ferne abspielt – auch bei uns im Landkreis – vor Ort – gibt es Kinder, die davon betroffen sind und Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sind."
Um diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, hat die Familientherapeutin zusammen mit der Johannes-Hess-Schule, der Hans-Kammerer-Schule und der Hans-Stethaimer-Schule die Wanderausstellung "Echt Klasse" organisiert. Die Ausstellung wurde vom Kieler Präventionsbüro "Petze" zur Verfügung gestellt.
Weil in den meisten Fällen sexueller Missbrauch bereits zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr beginnt, wendet sich "Petze" gezielt an Grundschulen damit Lehrkräfte und Eltern möglichst frühzeitig mit Prävention und Ich-Stärkung der Kinder beginnen können. Das "Echt Klasse" Projekt weist mit interaktiven Spielstationen auf die Problematik "sexuelle Gewalt gegen Kinder" hin, informiert so Eltern wie auch Kinder und stärkt die Mädchen und Jungen in ihren Kompetenzen und Rechten. Zudem bietet die Ausstellung einen geeigneten Rahmen für Elternarbeit und Vernetzung im Umfeld.
Laut Statistik macht jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Junge Erfahrungen mit sexueller Gewalt. "Wenn man das hochrechnet, kann man annehmen, dass in jeder Grundschulklasse ein paar Kinder sitzen, die schon einmal Opfer von solchen Übergriffen geworden sind", sind sich Anita Allmannsberger und Jutta Rösler-Dehs, Rektorin der Johannes-Hess-Schule, einig.
Bemerkenswert sei dabei auch, dass die Zahl der sogenannten "Fremdtäter", also Täter, die den Kindern unbekannt sind, verschwindend gering ist. "Die meisten Straftaten ereignen sich in den eigenen vier Wänden oder im unmittelbaren, sozialen Umfeld des Kindes", erklärt Anita Allmannsberger. Gleich mehrere Probleme hat dies wiederum für die Kinder zur Folge. Zum einen schämen sie sich häufig – traumatisiert von dem Erlebten – sich einem engeren Angehörigen anzuvertrauen. Nicht selten spielt dabei Angst eine große Rolle, weil sie von ihren Peinigern zusätzlich noch bedroht werden, sollten sie das Geschehene jemanden erzählen. Andererseits sehen sich auch viele Familien vor einer Konfliktsituation, sollte es dazu kommen, dass die betroffenen Kinder den Schritt gewagt haben und es einem nahen Verwandten anvertraut haben. Wie geht man damit um, dass der Opa, die Oma, der Onkel, die Tante oder sonst wer aus dem Familienkreis plötzlich als Täter dasteht? "Nur selten werden solche Fälle zur Anzeige gebracht, weil die Schamgrenze zu hoch ist und man den Familienruf nicht schädigen möchte", so Anita Allmannsberger. Wie man diese Situationen meistern kann, an wen man sich wenden muss – das alles wird mit der Ausstellung von "Petze" beantwortet.
Schon lange brennt das Problem unter den Nägeln. "Deswegen machen wir das jetzt schon das dritte Jahr nacheinander", erklärt Anita Allmannsberger und Jutta Rösler-Dehs, fügt hinzu: "Es ist schön, wie die drei Burghauser Grundschulen beim Echt Klasse - Projekt zusammenarbeiten und versuchen, Eltern und Kinder für dieses Problem zu sensibilisieren."
Dazu wurde seitens der Johannes-Hess-Schule der Musiksaal für drei Wochen zum Ausstellungsraum umfunktioniert und ist nun eine Anlaufstelle für viele interessierte Eltern und Kindern. Zusätzlich kommen die Grundschullehrer im Rahmen ihres Unterrichts mit ihren Klassen zur Ausstellung.
Anita Allmannsberger überlegt, selber eine Ausstellung zum Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder ins Leben zu rufen. "Dafür werden aber noch Sponsoren benötigt", sagt sie und hofft auf die Unterstützung der Burghauser Firmen.