Frauen helfen Frauen beim Start in ein neues Leben
12.08.2016
Beim "Mütterkurs" können weibliche Flüchtlinge die deutsche Sprache lernen, während Ehrenamtliche unter der Trägerschaft des Kinderschtzbundes nebenan ihre Kinder betreuen
Das Team um Barbara Reineke (rechts) betreut die Kinder, damit deren Mütter Deutsch lernen können. Die Trägerschaft hat der Kinderschutzbund um Anita Allmannsberger (zweite von rechts) übernommen.
Burghausen. "Deine Frau, seine Frau, meine Frau", sagt eine Schülerin. Eine kurze Pause folgt. "Meine Frau?", wiederholt die Schülerin fragend und leicht irritiert. "Ja", antwortet die Lehrerin. "Hier in Deutschland darfst du auch eine Frau haben." Die Gruppe mit fünf jungen Frauen lacht laut und herzhaft. Ute Paetsch unterrichtet immer freitags im evangelischen Gemeindehaus weibliche Flüchtlinge, um ihnen Deutsch beizubringen. Schnell wird klar, die Lehrerin lehrt dabei nicht nur die Sprache, sondern vermittelt im Kurs auch gesellschaftliche Konventionen, die hierzulande als selbstverständlich gelten, für die Frauen aber völliges Neuland sind.
Lernen scheitert oft an praktischen Gründen
Dass das Lernen der deutschen Sprache für eine gelungene Integration mitentscheidend ist, darüber sind sich viele einig. Oftmals scheitert es aber gar nicht am Willen der Asylsuchenden, sondern hat ganz praktische Gründe. Insbesondere Mütter von Kindern sind von einem Problem betroffen: Sie können an üblichen Deutschkursen nicht teilnehmen, weil sie ihre Kinder nicht in die Stunden mitnehmen können und keine Aufsichtspersonen parat haben. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde in Burghausen die Idee des "Mütterkurses" geboren. Die Frauen können sich auf den Deutschkurs konzentrieren, während ihre Kinder in einem separaten Raum betreut werden und doch nahe bei ihren Müttern sind.
Gestartet wurde der eineinhalbstündige Kurs Ende Oktober 2015 und ab diesem Zeitpunkt immer freitags im "Haus der Familie" abgehalten. Schon rund einen Monat später wurde das Angebot um einen zweiten Kurs am Donnerstag erweitert. Mitte März dieses Jahres musste der Kurs dann aus Platzgründen in das evangelische Gemeindehaus umziehen. Obwohl alle Beteiligten des Kurses ehrenamtlich und ohne Bezahlung arbeiten, ist die Organisation minutiös durchdacht: So gibt es einen Fahrdienst zwischen Marienberg und Burghausen, damit auch die Mütter, die in Marienberg leben, am Angebot teilnehmen können.
Der Antrieb, den die Organisatoren um Barbara Reineke haben, ist schnell erklärt: "Alles ist besser als nichts zu machen", erklärt die Gastronomin und Reiseverkehrsfrau, die sich um die Kinderbetreuung kümmert. Wenngleich sie die anfängliche Organisation rund um den Kurs zunächst mehr beansprucht hat, als ihr lieb war. "Der zeitliche Aufwand war so, dass ich gesagt habe, es muss weniger werden." Mittlerweile habe sich die Arbeit aber eingespielt. "Es macht so Spaß, weil es jetzt so flutscht und man sieht, wie glücklich die Frauen sind."
Überwiegend kommen die Kinderbetreuerinnen vom Kinderschutzbund, der auch die Trägerschaft für die Kinderbetreuung übernahm – in erster Linie damit die Organisatoren bei Haftungsfragen rechtlich abgesichert sind. Aber auch die persönlichen Bekanntschaften der Kinderbetreuerinnen werden zur Akquise weiterer Helferinnen genutzt. Die Lehrerinnen des Kurses kommen aus dem "Burghauser Arbeitskreis Asyl" (BAA). Aber auch hier spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle.
An diesem Freitag unterrichten Ute Paetsch und Gudrun Furtner. Während Paetsch anhand eines Buches, das die Stadt zur Verfügung gestellt hat, Lebensläufe durchgeht und dabei Personalpronomen übt, kümmert sich Furtner in einer eigenen Gruppe um drei Frauen, die erst einmal alphabetisiert werden müssen. Diese Heterogenität der Frauen macht den Kurs für die Lehrerinnen zur besonderen Herausforderung. "Die Frauen sind alle unterschiedlich alt, sprechen unterschiedliche Sprachen und haben ein unterschiedliches Bildungsniveau", erklärt Barbara Reineke. Dennoch entstehe eine Gruppendynamik, die den Lernprozess fördert: "Es ist schön zu sehen, wie die Frauen miteinander sprechen und sich gegenseitig helfen." Dies gelte auch für jede Kursteilnehmerin, die neu hinzukommt und schnell von den anderen integriert wird. "Es gibt keine Kontinuität. Jeder Freitag ist im Prinzip wieder ein erster Schultag", erklärt Gudrun Furtner. Damit die Abstimmung mit den Lehrkräften, die den Donnerstag übernehmen, passt, schreiben sich die Lehrerinnen gegenseitig Kurzprotokolle.
Heute sind im Kurs von Ute Paetsch nur fünf junge Frauen. Normalerweise sind es mehr, versichert die Lehrerin, aber heute fehlen die Syrerinnen. Paetsch vermutet, dass sie vom Kurs weggeblieben sind, weil sich ein Journalist angekündigt hat – ein männlicher. "Schade", bedauert sie, "weil das müssen sie bei uns lernen." Bei den anwesenden jungen Frauen ist die Stimmung unterdessen auch während des Unterrichts gut: Sie lachen und reden miteinander. Für die Lehrerin Ute Paetsch eine andere Situation, als in der Schule: Dort müssen die Schüler hingehen und können notfalls mittels persönlicher Strafen zurechtgewiesen werden.
Aber das beabsichtigt Ute Paetsch auch gar nicht: "Die sollen ruhig ratschen und sich gegenseitig unterstützen." Von einer Hierarchie ist wenig zu spüren. Mit ihrer erfrischenden und kollegialen Art strahlt Ute Paetsch aber ohnehin eine natürliche Autorität auf ihre "Mädels", wie sie sie nennt, aus. Auffällig ist, dass sie durchgehend nur Deutsch spricht. Die Frauen folgen ihr und arbeiten konzentriert mit. Von draußen sind die Rufe und Geräusche der spielenden Kinder zu hören. Sie sind nahe genug da, dass sich die Mütter keine Sorgen um sie machen müssen. Aber gerade so weit weg, dass die Frauen fokussiert lernen können.
Ute Peatsch lernt mit ihren "Mädels" anhand eines Buches die deutsche Sprache.
Von Franz Eder
Fotos: Eder
Lernt mit Frauen, die erst alphabetisiert werden müssen: Gudrun Furtner.